Geschichte    

Die Geschichte der Superkavitation beginnt in Göttingen im Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung (KWI später Max-Planck-Institut) und in Stuttgart-Ruit in der Forschungsanstalt Graf Zeppelin.

Die Forschungsanstalt Graf Zeppelin arbeitete unter der Leitung von Georg Madelung sehr intensiv an der Problematik des Eintauchens von Flugzeugtorpedos.

Mit der Steigerung der Fluggeschwindigkeit war es immer schwieriger geworden einen Flugzeugtorpedo so ins Wasser zu bringen, dass die Steuerbarkeit nach möglichst kurzem Wasserlauf gewährleistet war. Oft kam es in seichten Gewässern zu Grundberührungen, zu einem seitlichen Ausbrechen oder zu einem Ausspringen aus dem Wasser.

Zur Untersuchung des Eintauchvorgangs wurde von H.G.Snay eine Versuchsanlage gebaut, mit deren Hilfe der Eintauchvorgang im Modellmaßstab systematisch untersucht werden konnte.

Die Anlage bestand aus einem verschließbaren und evakuierbaren Wassertank von 2,5m x 2m x 0,8m Größe (siehe Skizze).

Front- und Rückseite des Tanks waren mit Glasscheiben versehen. Die Rückseite wurde mit einer Leuchtwand aus Nitraphot-Lampen hoher Lichtleistung ausgeleuchtet.

Zur Beschleunigung der Versuchskörper diente eine Preßluftkanone.

Der Eintauchvorgang, der von oben oder von der Beckenseite erfolgen konnte, wurde mit Hochfrequenzkameras aufgenommen.

In einem Vortrag, den Snay im November 1942 im Reichsluftfahrtsministerium hielt über das Eintauchverhalten des Flugzeugtorpedos im Modellversuch, wurden unter anderem auch Fotoaufnahmen der unterschiedlichen Verhaltensweisen von Tauchkörpern präsentiert.

Offensichtlich entstehen diese verschiedenen Verhaltensweisen, wenn ein Körper mit so hoher Geschwindigkeit ins Wasser eintaucht, dass er einen Hohlraum im Wasser aufreißt, der wesentlich größer ist als seine Körperabmessungen. In diesem Fall steht der Körper nur mit seinem Kopf in Wasserberührung und fällt je nach seiner Schwerpunktlage im Moment des Eintauchens an den oberen Blasenrand, wenn sich der Schwerpunkt oberhalb der Flugbahn der Körpernase befindet, oder an den unteren Blasenrand, wenn sich der Schwerpunkt unterhalb der Flugbahn befindet. Da ein Abheben des Körpers von der Blasenwand aufgrund der herrschenden Kräfte und Momente nicht mehr erfolgen kann, wird eine Kreisbahn im Wasser eingeschlagen, die zum Grundgänger, Luftspringer oder Überschläger führen kann.

Das Problem des richtungsstabilen Wassereintritts wurde experimentell durch einen langgestreckten konischen Körper mit Stirnplatte gelöst. Snay sandte in einem Schreiben (August 1943) an H.Reichardt (KWI Göttingen) eine Bildserie eines eintauchenden Körpers.

Die Fotos zeigen 4 Eintauchphasen eines kegelförmigen Körpers, der mit circa 50 m/s von der rechten Seite des Beckens unter 15° zur Horizontalen eingeschossen wurde. Im ersten Foto ist der lange Eintauchtricher gerade noch zu erkennen. Er hat sich jedoch schon stark eingeschnürt. In den folgenden Aufnahmen läuft der Körper mit anhängender Kavitationsblase durch das Bild, wobei er eine Blasenspur hinterläßt.

Dieses Foto ist die älteste mir bekannte Abbildung eines "superkavitierenden" Körpers, wenn man darunter einen Körper versteht, der nahezu vollständig von einem Hohlraum umgeben ist und nur mit seiner Stirnfläche in Wasserberührung steht.

Snay pflegte einen intensiven Gedanken- und Ergebnisaustausch mit H.Reichardt vom KWI.



Im Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung arbeitete unter der Leitung von Prof. Ludwig Prandl ein Team von Wissenschaftlern theoretisch und experimentell an Problemen der Kavitation.

Das KWI verfügte hierzu seit 1927 über einen Wasser-Umlauf-Kanal (siehe Abbildung).

In dem geschlossenen Kanal konnten die Bedingungen in der Versuchsstrecke durch Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit und des Vakuumdruckes variiert werden.

Die maßgebende Kennzahl für die Meßstrecke ist die dimensionslose Kavitationszahl σ, die definiert ist als
              
           mit


                          
wobei   p0   der Druck der ungestörten Strömung,   pk    der Druck der freien Oberfläche,   q0   der Staudruck,   ρ   die Wasserdichte und   v   die Strömungs-
geschwindigkeit ist.

Die Versuchanlage bewährte sich bei Experimenten, in denen die Kavitationzahl 0,1 nicht wesentlich unterschritten wurde. Bei kleineren Kavitationszahlen    - erreicht wurden minimal  0,05  -   waren die Fehlerquellen zu groß um sinnvolle Experimente durchführen zu können.

Niedrige Kavitationszahlen sind notwendig, wenn Modellversuche duchgeführt werden sollen, die Rückschlüsse auf das reale Eintauchenverhalten von Körpern mit hoher Geschwindigkeiten erlauben.

Im KWI wurde deshalb ein neuer Kavitationskanal geplant und 1943 fertiggestellt, der gegenüber der alten Anlage wesentliche Vorteile aufwies.

Eine Beschreibung der Anlage und der dabei auftretenden grundsätzlichen Fragen gibt H.Reichardt (Lit.1: UM 6620, Feb. 1945).

Der neue Kanal zeichnete sich aus durch:
  -    einen Freistrahl von 15 cm x 20 cm Querschnitt,
  -    eine minimale Kavitationszahl bis ca. 0.01,
  -    eine Strömungsgeschwindigkeit von > 10 m/s,
  -    und eine 3-Komponenten-Waage, mit der genauere
       Kraftmessungen durchgeführt werden konnten.


Ein Foto der Meßstrecke mit geöffneten Sichtfenstern zeigt die nebenstehende Abbildung.

In dieser Anlage führte Reichardt seine Versuche an Rotationskörpern und ihren Kavitationsblasen aus. Die Untersuchungen waren Ende 1943 praktisch abgeschlossen.

Sie wurden später in seiner berühmt gewordenen Arbeit über "Gesetzmäßigkeiten der Kavitationsblasen an umströmten Rotationskörpern" veröffentlicht (Lit.3).

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